Der Jubiläumsanlass vom 6. September des Textilmuseums Sorntal Niederbüren stand im Zeichen des Rückblicks auf die Entwicklung dieses aussergewöhnlichen Kulturgutes von nationaler Bedeutung. Der Appenzeller Hackbrettbauer Johannes Fuchs umrahmte den Anlass mit volkstümlicher Musik. Am 7. September organisierte der Museumsverein einen Tag der offenen Tür.
(Ernst Inauen)
Im vergangenen Jahr bekam Niederbüren die Gelegenheit, mit dem Erwerb des Museumsgrundstücks und des Gebäudes im Sorntal in den Besitz eines kulturell bedeutenden Zeitzeugen der Textilgeschichte zu kommen. Das ehemalige, 1850 erbaute Spinnereigebäude wurde 1994 innen und aussen renoviert und als technisches Textilmuseum eingerichtet. Nach dem Nein der Bürgerschaft zum Kauf des Textilmuseums unterzeichnete der Museumsverein selber einen Kaufvertrag mit dem Vorbehalt, dass der Kaufpreis von Fr. 430‘000 bis Ende 2019 zu überweisen sei. Am Jubiläumsanlass, zu dem die Mitglieder, die Sponsoren, Gönner und Behördenmitglieder eingeladen wurden, vermeldete Vereinspräsident Richard Holenstein, dass nun der Kauf der Museumsliegenschaft nach der Aufnahme eines Darlehens bereits definitiv vollzogen sei. Diese erfreuliche Überraschung wurde bei den rund 150 Gästen mit Freude und Befriedigung wahrgenommen. Der Gründer und Kurator des Museums Gottlob Lutz zeigte sich ebenfalls sehr erfreut. Er blickte auf die Geschichte Textilmuseums Sorntal zurück, die mit seiner laufenden Sammlung von alten Textilmaschinen und Geräten schon in den 80er-Jahren begann. 1994 eröffnete Gottlob Lutz das Textilmuseum und bot zusammen mit seinem Partner Franz Kettel Führungen an. Nach dem erfolgreichen Kaufabschluss geht nun auch das gesamte Museumsgut kostenlos in den Besitz des Vereins Textilmuseum Sorntal über.
Ehrenamtlicher Einsatz des Museumsvereins
Bei seiner Gratulationsrede zum 25-jährigen Jubiläum hob Gemeindepräsident Niklaus Hollenstein die grosse Bedeutung des Textilmuseums Sorntal hervor: „Das Textilmuseum ist eine Perle der Textilgeschichte und ein Leuchtturm für das textile Schaffen in der ganzen Schweiz“. Es sei aber weiterhin auf die wichtige Vereinsarbeit und eine regionale Unterstützung angewiesen. Bei einem Tag der offenen Tür ermöglichte der Museumsverein der Bevölkerung den Einblick in das Fabrikleben und in die Industrie- und Sozialgeschichte des 19./20. Jahrhunderts. Dabei werde von einigen Frauen auch die alte Technik des Klöppelns demonstriert, teilte Richard Holenstein mit. Als nächste wichtige Aufgaben bezeichnete er die Ausbildung zusätzlicher Führer sowie den Wissenstransfer durch eine Erfassung der Museumsgüter und deren Funktionsweise. Nach wie vor sei der Verein auch auf finanzielle Unterstützung angewiesen. „Mit Freude und Stolz wird der Verein nun das Ziel weiterverfolgen, das einzigartige Textilmuseum Sorntal sowie die Geschichte der Ostschweizer Textilindustrie zu bewahren und an Interessierte und an die kommende Generation weiterzugeben“, schloss Holenstein seine Ansprache.
Schaubetrieb der Technik
Die authentischen Ausstellungsobjekte des Textilmuseums Sorntal Niederbüren reichen von den ursprünglichen Geräten der Heimindustrie bis zu weiter entwickelten Web-, Stick- und Spinnmaschinen aus den Anfängen der Industrialisierung und sind zum Teil über 150 Jahre alt. Alle Maschinen und Geräte sind noch funktionsfähig und werden teilweise bei Führungen in Betrieb gesetzt. Darunter sind zahlreiche historische Maschinen und Geräte schweizerischer Maschinenbauer wie Benninger, Saurer oder Martini. Die dargestellte Textil-Geschichte vermittelt ebenso einen Einblick in die damaligen Arbeitsbedingungen, die in handgeschriebenen Bücher und Protokollen dokumentiert sind. Einmalig ist auch eine Sammlung von rund 2,5 Millionen Stoffmustern aus den Bereichen Stickerei, Weberei, Stoffdruck, Flechterei, Strickerei und Wirkerei sowie aus der Strohindustrie und anderen Fachgebieten. Diese einmalige Sammlung ist das Lebenswerk des ehemaligen Zetag-Direktors Gottlob Lutz. Er betreut weiterhin zusammen mit seinem ehemaligen Mitarbeiter Franz Kettel das Museum und bietet Gruppenführungen an.
Wertvolles Ausstellungsgut
Das Textilmuseum Sorntal im dreistöckigen Gebäude ist in drei Bereiche eingeteilt. Im Erdgeschoss stehen zahlreiche Maschinen und Geräte aus der Frühzeit der Industrialisierung. Sie zeigen die Vielfalt der Textilindustrie. Im ersten Obergeschoss sieht man die ursprüngliche Situation eines Fabriksaals aus dem Jahr 1850. Der historische Raum mit den hölzernen Geräten der damaligen Heimindustrie fasziniert durch seine besondere Atmosphäre. Neben Spinn- und Spulräder weisen Arbeitsgeräte für die Flachsverarbeitung, die Handstickerei, die Strickerei, den Stoffdruck, die Strohverarbeitung, die Handweberei und die Jacquardweberei auf die Vielfalt der textilen Berufe hin. Besonders stolz ist Gottlob Lutz auf das Obergeschoss. „Das ist mein grosser Schatz mit dem Archiv, das wichtige Dokumente, Geschäftsbriefe, Geschäftsbücher, eine Unzahl von Stoffmusterbüchern und eine Textilbibliothek enthält“.